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Grossbritannien
USA
Technik_Entwicklung
1967
Beschreibung

Die Hawker Siddeley Harrier ist ein einstrahliges senkrechtstartendes und -landendes Kampfflugzeug aus britischer Produktion. Benannt wurde die Maschine nach der Greifvogelgattung der Weihen (englisch harrier) und ihrem Entwickler Hawker Siddeley. Die Harrier basiert auf dem Versuchsflugzeug und Erprobungsträger Hawker P.1127.

Eine umfassende Weiterentwicklung stellt die McDonnell Douglas AV-8B Harrier II dar. Sie wird auch als die zweite Generation der Harrier bezeichnet.
Die Harrier basiert in hohem Maße auf dem im Oktober 1960 zum ersten Mal geflogenen Erprobungsträger Hawker P.1127, der unter der Bezeichnung Kestrel in der Tripartite Evaluation Squadron auch seine Eignung als Kampfflugzeug zur Luftnahunterstützung nachweisen konnte. Die besondere Bedeutung des hier eingesetzten VTOL-Konzepts ist daran zu erkennen, dass die RAF die Entwicklung und Beschaffung des Flugzeugs trotz des 1957 Defence White Papers beauftragte, das vorsah, Entwicklungen im Rüstungsbereich von bemannten Flugzeugen zu Raketen zu verlagern.

Die enge Zusammenarbeit zwischen Hawker Aircraft (hauptsächlich für die Entwicklung der Zelle verantwortlich) und dem Triebwerkshersteller Bristol Engine war nach Aussage des Projektingenieurs Gordon Lewis für die Entwicklung der Harrier trotz aller technischen Schwierigkeiten und politischen Einflussfaktoren entscheidend.[2] Im Juni 1960 wurde ein Vertrag zur Produktion von zwei Prototypen unterzeichnet. Von den insgesamt sechs Prototypen stürzten drei ab; einer davon während einer Flugshow auf der Pariser Luftfahrtschau 1963.

Einsatzerprobung mit der Kestrel
Ende 1962 vereinbarten das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und die Bundesrepublik Deutschland, insgesamt neun weitere Vorserienmaschinen unter der Bezeichnung Kestrel FGA.1 zu beschaffen, um die Leistungsfähigkeit und das Potential von V/STOL-Flugzeugen unter Feldeinsatzbedingungen zu ermitteln. Hierzu wurde die Tripartite Evaluation Squadron (TES) (auch Tri-partite Evaluation Squadron) aufgestellt. Als Ergebnis sollte ein neues Einsatzkonzept für V/STOL-Kampfflugzeuge aufgestellt werden. Die TES war damit die erste militärische Einheit, die mit V/STOL-Flugzeugen ausgerüstet war. Die Feststellung der Einsatzbereitschaft der Kestrel erfolgte am 15. November 1964. Zehn Piloten (jeweils vier aus dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten sowie zwei aus Deutschland) bildeten das Team der Testpiloten für diese Evaluierung. Im Rahmen dieser Vereinbarungen wurde auch die wichtige Frage der Kostenverteilung geregelt. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Entwicklungskosten für die neuartigen Triebwerke von Bristol Siddeley (später: Rolls-Royce) wurde von den USA[3] und dem BMVg West-Deutschlands (im Rahmen der VAK 191B und fast 40 % alleine im Rahmen der Dornier Do-31-Entwicklung[4]) getragen. Über den sehr hohen Anteil der US-Finanzierung sicherte sich das US-Verteidigungsministerium (DoD) ein gewichtiges Mitspracherecht bei der zukünftigen Entwicklung dieser vielversprechenden europäischen Projekte.

Bis zum Ende der Evaluierung im November 1965 erfolgten insgesamt 1366 Starts und Landungen.[5] Während der Tests wurde ein Flugzeug zerstört, sechs weitere wurden unter der Bezeichnung XV-6A Kestrel in die Vereinigten Staaten überführt und weiteren Tests unterzogen.[6] Die beiden verbliebenen britischen Kestrel wurden ebenfalls weiteren Testphasen in der militärischen Forschungseinrichtung RAE Bedford zugewiesen, wobei eine der beiden Maschinen mit dem Pegasus-6-Triebwerk ausgerüstet wurde.[7]

Weiterentwicklung zur Harrier
Noch vor der Einrichtung der Tripartite Evaluation Squadron begann Hawker mit den konkreten Planungen für eine Überschallversion der P.1127. Erste Untersuchungen fanden bereits 1960 mit der P.1150 statt. Nach der Aufgabe dieses Projekts sollte die darauf folgende P.1154 die in der OR.356 (Operational Requirement 356) festgehaltenen Anforderungen für ein überschallschnelles VTOL-Jagdflugzeug für die RAF und Royal Navy erfüllen. Die Navy verlor jedoch 1964 das Interesse und am 2. Februar 1965 stoppte die neue britische Labour-Regierung die Entwicklung der P.1154. Zur gleichen Zeit gab die Regierung bekannt, dass eine weiterentwickelte Version der Kestrel für die RAF beschafft werden würde. Dieses umkonstruierte Muster sollte billiger, wenn auch weniger leistungsfähig als die P.1154 sein, dafür aber deren Avionik weitgehend übernehmen. Die Hoffnung war, dass alle drei an der TES beteiligten Staaten (Großbritannien, USA, Deutschland) dieses Flugzeug anschaffen würden, was aber nicht eintrat.

Großbritannien erteilte 1965 einen ersten Auftrag für ein Entwicklungslos (Development Batch) von sechs Vorserienflugzeugen mit der Bezeichnung P.1127(RAF), später auch Harrier GR.1 (DB) genannt. Die ersten Flüge der sechs Vorserienmaschinen fanden zwischen dem 31. August 1966 und dem 14. Juli 1967 statt. Die Entwicklungsmaschinen wurden beim RAE, dem A&AEE und der Blind Landing Experimental Unit (BLEU) einer eingehenden Erprobung unterzogen. Diese fand auch unter annähernd tropischen Temperaturen in Sizilien statt. Sogar von der Helikopter-Plattform der italienischen Andrea Doria und auf dem argentinischen Träger Veinticinco de Mayo wurden Flüge durchgeführt.

Das erste Baulos der anschließenden Serienfertigung der GR.1 (auch GR.Mk.1) umfasste 60 Exemplare. Die Erstflüge dieser Flugzeuge fanden zwischen Dezember 1967 und März 1971 statt. Die 17 Maschinen eines zweiten Bauloses flogen zum ersten Mal zwischen Juni 1971 und Juni 1972. Die meisten Exemplare wurden ab 1972 zu GR.3 modifiziert.

Ab Anfang 1971 wurde mit dem Pegasus 10 (RAF: Mk 102, USMC: F402-RR-400) eine leistungsstärkere Triebwerksversion mit einem Schub von 91,2 kN bei der Umrüstung und Produktion der Harrier GR.1A eingesetzt, von der 17 Exemplare zwischen Juni 1971 und Januar 1972 neu gebaut wurden. Bis Ende 1974 war auch die Umrüstung der bereits vorhandenen Harrier abgeschlossen. Die nachfolgende Variante GR.3 erhielt neben dem Pegasus 11 (RAF: Mk. 103, Schub: 95,7 kN) auch das LRMTS in der Rumpfnase und ein Radarwarnsystem (ARI.18223RWR) in einer Verkleidung an der Spitze der Seitenleitwerksflosse für die Abdeckung nach vorne und am hinteren Teil der Flosse für den 180° nach hinten. Alle GR.3 besaßen eine zur linken Seite ausgerichtete 70-mm-F95-Kamera für Aufklärungszwecke. Zur Film-Auswertung hatten die RAF an zwei Standorten mobile Reconaissance Intelligence Centre eingerichtet. Das erste Baulos dieser Serienvariante (das dritte insgesamt) umfasste ab Januar 1976 zwölf Maschinen. Im Rahmen des letzten regulären Bauloses wurden von 1980 bis 1982 24 Gr.3 hergestellt. Als Ausgleich von Verlusten im Falkland-Krieg wurden aber schließlich noch vier Exemplare hergestellt, was einen Gesamtbauumfang von 118 Stück ergibt.[8]

United States Marine Corps
Seit der Teilnahme 1968 bei den US-amerikanischen Tri-Service Trials (TST) mit den sechs in die USA gebrachten Kestrel der ehemaligen Tri-Partite Squadron, war das US Marine Corps (USMC) stark an der Beschaffung der Harrier interessiert. Die US Navy, die für die Beschaffung der Flugzeuge des USMC zuständig ist, schickte ein Test-Team nach England, das die Harrier ebenfalls als sehr gut geeignet für die vorgesehenen Zwecke beurteilte. Der hauptsächliche Beweggrund zur Beschaffung waren die Vorteile der Harrier bei der Luftnahunterstützung von amphibischen Landeoperationen. Dies sollte in drei Phasen ablaufen: zuerst von Schiffen (LHA- oder LPH-Typ) auf See, dann von einfachen Plätzen im Landekopf der Operation und schließlich von eingerichteten Flugplätzen aus. Kurzzeitig wurde erwogen, eine Lizenzfertigung in den USA einzurichten, schließlich wurde dies jedoch wegen der geringen Stückzahlen als nicht wirtschaftlich erachtet.[9]
Nach Auseinandersetzungen im Senat/Kongress wegen der Beschaffung von Ausrüstung für die amerikanischen Streitkräfte außerhalb der USA, stellte die US-Regierung die Mittel für die Fiskaljahre 1971/72 zur Beschaffung von zwölf Flugzeugen bereit. Unter der US-Streitkräfte-Bezeichnung AV-8A (Werksbezeichnung Harrier Mk.50) wurden diese Harrier an die auf der USS Guam stationierten Einheit VMA-513 geliefert. Nachdem bereits die NASA mit einer XV-6A 1971 erste Versuche zu den Möglichkeiten des Vectoring-in-forward-flight (VIFF) durchgeführt hatte, worunter das Schwenken der Düsenauslässe im Vorwärtsflug außerhalb des normalen Start- und Landevorgangs zu verstehen ist, setzte ein Anfang 1972 gestartetes gemeinsames Programm der USA mit Großbritannien diese Untersuchungen fort. Hierbei spielten vor allem die Ergebnisse von Versuchen der VMA-513 zur Manövrierbarkeit im Luftkampf eine wichtige Rolle. Hierbei konnte gezeigt werden, dass sich die Harrier beim Einsatz der VIFF-Technik siegreich gegen die F-4 Phantom II und F-86 Sabre durchsetzen konnte.[9] Im Falklandkrieg setzten die Sea Harrier der Fleet Air Arm dieses Verfahren mit großem Erfolg im Luftkampf ein.

Diesem ersten Baulos folgten vier weitere, die ebenfalls einzelnen Fiskaljahren zugeordnet waren. Bis 1975 hatte das USMC 110 Maschinen erhalten, die ausnahmslos in Kingston gebaut und als Luftfracht in die USA gebracht wurden. Erste Exemplare hatten als Antrieb das Pegasus-102-Triebwerk und verwendeten das Ferranti-541-Trägheitsnavigationssystem, während die späteren Maschinen das stärkere Pegasus 103 und das amerikanische Baseline-System erhielten.

Titelbild
Hawker Siddeley Harrier GR9A

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